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Elektrizität in Indien

Wenn in Indien etwas am Fahrzeug kaputt geht, dann hilft oft ein Schlag auf die defekte Stelle, um sie zu reparieren. Vor allem bei elektrischen Defekten hat der Laie damit eine gute Erfolgsquote.

Als in Goa der Anlasser meines Mopeds nicht mehr ausging, schlug ich auf die Verkleidung am Lenker, worunter die Verkabelung ist. Trotz unterschiedlicher Schlagmethoden blieb das Moped kaputt. Es kam eine Gruppe Inder zur Hilfe, sie schlugen auf alle möglichen Stellen am Moped. Es half nichts, man war sich einig: Ich muss zur Werkstatt. Der Anlasser quälte sich auf der Fahrt.

Der Meister trat mit ernstem Blick heran und platzierte einen gekonnten Schlag auf die Verkleidung am Lenker. Der Anlasser stoppte sofort. Alle Gesichter aus der Werkstatt richteten sich auf mich: ernst, mitleidig, sprachlos. Aber ich hatte es doch schon probiert. Und der Meister musste sicher jahrelang geübt haben, bis er diese Professionalität besaß.

Elektrische Verbindungen und elektrische Normen werden in Indien nicht so genau ausgeführt. Hauptsache, es gibt elektrischen Strom, denn der ist praktisch. Es kann dann schon mal vorkommen, dass eine Steckdose direkt unter der Dusche ist. Als ich meinen Kühlschrank verschieben wollte und ihn hinten am Gitter anfasste, lagen dort 230 Volt Netzspannung an. Mit so etwas muss man hier rechnen. Fi-Schutzschalter gibt es meistens keine. Sie würden bei jedem Monsun Chaos erzeugen. Stromausfälle gibt es so oder so schon genug.

Kinder spielen gelegentlich auf den Mauern. Die Anschlüsse am Transformator sind nicht isoliert. Ein häufiges Bild.

Statistiken über die jährliche Anzahl tödlicher Stromunfälle in Indien lassen sich kaum finden. Vieles wird nicht erfasst. Nur die Artikel in Lokalzeitungen lassen erahnen, dass einiges passiert. Das Gefahrenbewusstsein ist ein anderes als in europäischen Ländern. Auf Sachen, die vom Karma geregelt werden, hat man hier eh nur einen begrenzten Einfluss.

Dort, wo die medizinische Versorgung schlecht ist und nicht an jedem Ding ein Warnhinweis steht, setzt beim Reisenden automatsich eine größere Bewusstheit ein. Egal, ob beim Motorradfahren, beim Schwimmen im Meer, beim nächtlichen Laufen durch Gärten, wo die Brunnen oft nur tiefe Löcher ohne Absperrungen sind: Du bist für dich selbst verantwortlich. Die deutsche Meckerkultur über die Fehler anderer funktioniert hier nicht. Kein Hubschrauber bringt einen ins Krankenhaus.

Und man merkt dabei, wie sich ein Gefühl einschleicht: Ein Gefühl von Freiheit und Ursprünglichkeit.