Die Story mit den Edelsteinen wollte ich nicht auf sich beruhen lassen. Erstens musste sie irgendeine Bedeutung haben, zweitens wollte ich wieder nach Indien und drittens sollte das verlorene Geld wieder reinkommen.
Ein Besuch bei den Steinhändlern hätte nichts gebracht, aber es lockte eine andere Möglichkeit. Ich kratzte tausend Euro zusammen und startete im März 2003 mit einem Freund nach Bombay. Der Flug kostete 550 Euro. Die restlichen 450 Euro reichten für sechs Wochen Unterkunft, Verpflegung, Zugfahrten und für 50 bestickte T-Shirts. Ein Essen in Indien kostete 20 Cent und eine Übernachtung einen Euro.
In Goa gab es wie in Manali Shops, wo T-Shirts, Hosen, Gürteltaschen, Armstulpen, Wickelröcke etc. von Schneidern aus Nepal gefertigt wurden. Es war die Zeit, als der Style der Goaszene von Israelis bestimmt wurde. UV-aktive Stickereien und vielfarbige Muster waren angesagt. Alles musste bunt und mit Pilzen dekoriert sein. Sie reisten zu Tausenden nach ihrem langen Militärdienst nach Goa und wuschen sich die Gehirne mit Drogen. Das sorgte für Probleme in Indien und Israel, weshalb die Israelis eines Tages kein Visum mehr für Indien erhielten. Ihren Platz in Goa nahmen die Russen ein. Der Style änderte sich und viele nepalesische Boutiquen verschwanden. Diesen Wandel werden wir in einem anderen Artikel beleuchten.
Zurück in Deutschland stellte ich einen Teil der T-Shirts als Auktionen ab 1 Euro bei Ebay ein. Auf dem Produktfoto war die URL der Website Interclub03 mit abgebildet. Dort konnte man über ein simples HTML-Formular die gleichen T-Shirts zum Festpreis kaufen. Wir vermieteten Musikanlagen und veranstalteten Partys mit elektronischer Musik unter diesem Namen, der in einem fünfminütigen Brainstorming entstand. Meine Eltern hatten einen Zettel mit ihrem Hotelnamen ins Auto gelegt, als ich sie zum Flughafen brachte. Hotel Interclub. Daran hängten wir einfach die 03, und fertig war die Firma. Nach einem Jahr waren alle T-Shirts verkauft. In den folgenden Jahren flog ich immer in den Wintersemesterferien nach Indien, es kamen Freunde und gelegentlich auch meine Mutter mit. 2005 kaufte ich die doppelte Anzahl, 100 T-Shirts. Sie passten gerade so in den Rucksack. 2006 wurden dann erste Pakete aus Indien verschickt. Die Designs waren zum Teil selbst entworfen und zum Teil abgeänderte Designs, die die Nepalis entworfen hatten.
Irgendwann sprach mich wieder so ein Edelstein-Inder an. Diesmal war der Handel angeblich ohne Kaution möglich. Ich verabredete mich mit ihm, ging aber nicht zur Verabredung. Das war die Rache. Er musste allein in einem Restaurant sitzen und warten. Hab ihm eins ausgewischt, dem Bengel.
Aladinhosen kommen in Mode
2007 liefen plötzlich viele Europäerinnen in Indien mit Aladinhosen herum. Meine Freundin kaufte sich in Goa eine solche Pumphose und war begeistert, wie bequem sie sich anfühlt.
2008 endete mein Studiums und ich musste mich entscheiden, ob ich auf meinen T-Shirts versauere, wie der Elektrotechnik-Doktor bei der Diplomverteidigung sagte, oder bis zur Rente in klimatisierten Räumen die Sommer verbringe. Darüber wollte ich ertmal sechs Wochen lang nachdenken, und zwar in Indien. Es hätte die letzte Indienreise sein können, denn im regulären Job würden keine langen Reisen mehr möglich sein.
Dreihundert in Goa gekaufte Aladinhosen waren innerhalb weniger Wochen ausverkauft. Nun bestellten wir per Email. Das ging dreimal gut und beim vierten Mal kaufte sich mein indischer Geschäftspartner vom Hosengeld ein Moped und verschwand. Es mussten stabilere Geschäftsbeziehungen her. Das ist in Indien relativ schwierig, es wird dazu einen extra Artikel geben.
Gründung der Marke Leucht-Welten
Unsere Musikanlagenvermietung existierte immer noch, es kam noch ein Laser dazu. Die Vision war, auf Festivals einen Floor zu betreiben und alles unter einen Hut zu bekommen, auch die UV-aktive Bekleidung aus Indien und die Pumphosen. Das Motto war „Wir bringen die Welt zum Leuchten“. Es entstand die Marke Leucht-Welten. Die Pumphosen verkauften sich online immer besser. Wir entwarfen neue Schnitte, bestellten immer größere Mengen in Indien und besuchten die Lieferanten regelmäßig.
Die T-Shirts wurden derweil in Goa immer teurer und viele Nepalis schlossen ihre Shops. Für Musikanlagenvermietung hatte ich keine Zeit mehr und die Preise waren im Keller. Also wurden ab 2013 nur noch die Hosen unter dem Namen Leucht-Welten verkauft. Die Aladinhosen liefen so gut, dass wir kaum hinterher kamen. Jede Hose musste auf Fehler kontrolliert werden, pro Jahr über 10.000 Stck auf dem Balkon unserer Wohnung in Dresden. Irgendwann war die Wohnung derartig mit Kisten zugestellt, dass es nur noch schmale Gänge zum Laufen gab und wir einige Öfen außer Betrieb nehmen mussten. Ausgerechnet beim Programmieren begann immer 30 cm hinter meinem Rücken die Waschmaschine zu schleudern. So konnte es nicht weitergehen. Wir mussten uns eine zweite Wohnung suchen.
Hier geht's zu Teil 3 der Entstehungsgeschichte von Purewonder